Kapitales Feiertagsmanagement ist eine Kunst. Eine Kunst, die ich
nicht beherrsche. Was mir alle Jahre wieder schmerzlich bewusst
werden will...
Am liebsten sind
mir die roten Kalendertage. Nicht die blassroten, denn wir Berliner
sind ein unheiliges, in der Mehrzahl reformiertes Volk. Bedeutet,
wir bekommen seltener frei, um zu beten. Eine unfaire Geschichte.
Ich bin mir sicher, jeder zweite Berliner würde gerne ein bisschen
beten, wenn er dafür bloß einen Tag frei bekommen würde. Aber keine
Chance. Demnach gelten die blassroten Feiertage zwar für wechselnde
Bundesländer, aber nie für Berlin. Never ever. Niemals. Nicht.
Der April und der
Mai haben in diesem Jahr viele rote Tage. Knallrote. Also frohlocke
ich regelmäßig, wenn mein Blick von meinem Arbeitsplatz aus auf die
anstehende Kalenderwoche fällt, und mich eine dicke, rote Ziffer
angrient, die ausnahmsweise nicht Sonntag heißt. Ich sinniere über
ein ausgeklügeltes System der Brückentage, visualisiere den
grandiosen Erholungseffekt, der mir vergönnt sein wird, und stelle
mir vor, was ich in dieser freien Zeit alles erledigen werde. Ich
liebe rote Kalendertage. Danke Dir Gott, Arbeiterbewegung, danke
Dir, deutsche Einheit. Wenigstens einmal im Jahr.
Und dann beginnt
mein Feiertagsritual: Von einer fremden Macht gesteuert, tätige ich
am Vortag über Stunden hinweg meine Hamsterkäufe. Ich habe noch
nicht herausfinden können, woher die plötzliche Überzeugung rührt,
dass die Welt vielleicht doch mal untergehen könnte. Oder der
Notstand ausbricht. Oder ich sterben müssen werde. Weil mein Shampoo
leer ist und ich aufgrund geschlossener Geschäfte nicht umgehend für
Ersatz sorgen kann. Sollte eines dieser Szenarien jemals eintreten,
dann wird es sich zumindest an einem Feiertag ereignen. Soviel ist
sicher. Ich handle folglich rein instinktiv-prophylaktisch.
Nachdem ich also
den gesamten Nachmittag damit verbracht habe, den bevorstehenden
Weltuntergang zusammen mit Zehntausenden meiner lieben
Mitbürger und Mitbürgerinnen zu zelebrieren – an der Kasse bei Karstadt – stellt
sich am Abend endlich die ersehnte Entspannung ein. Meint: Mich
überfällt unverhofft eine bleierne Schwere. Mein Energielevel bewegt
sich konsequent und unbeirrbar
gen
plus/minus Null.
Hirn und Sprachzentrum stellen um auf Notbetrieb.
Einige böse
Gewissheiten stellen sich ein:
Ich werde wieder
einmal nichts vom dem erledigen, was ich erledigen wollte. Da mir
ansonsten die Zeit dazu fehlt. NICHTS!
Spätestens morgen
Vormittag werde ich so erholt sein, dass ich es schlicht nicht mehr
aushalten kann.
Und meine
brachliegenden Kontakte pflegen, wie ich es vorhatte, werde ich
selbstredend auch nicht.
Dafür bestätigt
sich folgende These: Ich bin eine Niete im Umgang mit Feiertagen.
Und ein Profi in Sachen Feiertagsblues.
Zwei Fragen werden
mich die nächsten 24 Stunden beschäftigen: Warum sind Feiertage so
lang? Und: Warum sind Feiertage so kurz?
Ich schätze, im
bundesdeutschen Durchschnitt liege ich in Hinsicht Kurz- und
Langzeitschäden von Feiertagen gar nicht so schlecht. Ich habe mich
nicht mit meinem Freund überworfen – immer mal wieder beliebte
Feiertagsvariante -, Amokläufe konnte ich mir bis dato verkneifen –
fragt nicht, welche Selbstdisziplin mich das mitunter kostete - und
umgebracht habe ich mich auch noch nicht. Also alles im grünen
Bereich.
Trotzdem bin ich
irgendwie der Auffassung, es müsste mehr drin sein. Und zwar mehr,
als Lethargie und jähe Totenruhe gegen das einzutauschen, was
ansonsten Stress und blinde Hektik lautet. Im Radikalkurs sozusagen.
Kein Wunder, wer da auf dumme Gedanken kommt.
Rein
katerstimmungstechnisch dürfte es sich ähnlich verhalten, wenn wir
das ganze Jahr über streng makrobiotische Kost präferieren, um uns
an einer Handvoll Tagen kopflos mit Fastfood vollzustopfen. Kann
meines Erachtens nicht gut gehen. Es fehlt: Das gesunde Maß. Hüben
wie drüben.
Immerhin habe ich
den letzten Feiertag genutzt, um etwas zu tun, was ich schon lange
nicht mehr getan habe. Ich habe gebetet: Lieber Gott, erlöse mich
von dem Bösen. Von den bösen – Feiertagen.
Und schenke mir
besser eine 20-Stunden-Woche dafür.
erschienen auf:
Letmeentertainyou.de | ©
2oo6, Saskia Katharina Krost