Ich bin so frei!


 

Frei sein ist klasse. Freier Autor zu sein hingegen nicht. Vor allem dann nicht, wenn man sich unabhängig und immun gegen Mainstream-Terror nennt. Ich meine, ich liebe diese Welt – aber liebt diese Welt auch mich?

 

Lieber Leser, ich verrate es Dir: Freier Autor zu sein ist beschissen. Okay, es klingt gut und gibt als Antwort auf die leidige Berufsfrage einiges her - das ist ja schon mal was. Dennoch ist der freie Autor den überwiegenden Großteil dermaßen frei, dass er es eigentlich gar nicht mehr aushalten kann. In dieser Zeit erwartet er sodann Gedankenblitze á la Harry Potter, oder er erwägt den lukrativen Einstieg in die Prostitution. Nicht im Sinne des horizontalen Gewerbes, nein, so weit ist es dann doch noch nicht. Hingegen erwägt er, seine meistgeliebte Unabhängigkeit schonungslos zu opfern, und stattdessen mit dem zahlungswilligen Mainstream ins Bett zu gehen. Immerhin lockt eine Karriere bei Gala oder Bunte, für die ich lediglich unzutreffende Bildunterschriften formulieren muss. Und auch der Wechsel in das Fach der infamsten Gerüchte verspricht eine Anstellung bei Bild und Co.

"Moppel-Ich" und "20 Jahre 40 bleiben" taufen sich die Kassenschlager unserer Zeit. Zurück bleibt die Frage, ob es auch der Autor ohne Gewichtsprobleme, und bar jeglicher "Rezepte für mehr Lebensfreude, Jugend und Glück" eines Tages eventuell zum Bestseller schafft. Andernfalls bestimmt die persönliche Ausdauer, wann selbst den Freiesten der Freien ein leerer Kühlschrank endlich zur Einsicht, und damit zur exorbitanten Anpassung zwingt.

 

Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Nur in seltenen Fällen umgekehrt. Bedeutet, wenn ich etwas anbiete, wonach niemand fragte, kann ich mitunter schmerzhaft auf die Nase fallen. Da diese Welt heute aber nach Klingeltöne der Art "Kotzen jetzt im Real Tone Sound", und nur in unbedingten Einzelfällen nach dem innovativen Gedankengut fragt, hat der (mit Verlaub) geniereiche Autor zugegeben nicht immer einen leichten Stand. Macht nix, können wir jetzt meinen, und auf den patenten Rat unserer Freunde vertrauen. "Warte doch einfach, bis Du gestorben bist – viele helle Köpfe wurden erst nach ihrem Ableben berühmt." Was allerdings kaum zur trostreichen Hoffnung, sondern vielmehr zum sofortigen Griff zum Revolver motiviert.

 

Machen wir es kurz: Noch habe ich den Glauben nicht aufgegeben, dass diese Welt ebenfalls für den unverbesserlichen Freigeist ein lauschiges Plätzchen in petto hat. Eines mit gefülltem Kühlschrank, prallem Konto, ausreichend Anerkennung und noch mehr Ruhm. Was nicht ist, kann ja noch werden. Denke ich mir mal ganz fest. Wenn diese Welt aber schon nicht mich versteht, dann versuche eben ich diese Welt zu verstehen. Irgendwie müssen wir schließlich miteinander klar kommen, diese Welt und ich. Vielleicht zeige ich mich auch versöhnlich, und lege mir ein paar Gewichtsprobleme und "7 Geheimnisse für ein zufriedenes Leben jenseits der 40". Schließlich braucht mein erster Bestseller eine Basis, das sehe ich durchaus ein.

 

Nein, im Ernst, ich denke das lasse ich definitiv bleiben. Gewichtsprobleme, Midlife-Crisis - ich habe keine Lust auf diesen Quatsch. Ich sage ja: Es ist nicht jeder zur Einsicht geboren. Unverbesserlich bin ich eben.

 

Unverbesserlich - und ganz doll frei...

 


erschienen auf: Letmeentertainyou.de | © 2oo5, Saskia Katharina Krost