Beginnt niemals mit Salsa. Vor allem nicht, wenn ihr bereits trinkt
und raucht. Einmal angefixt, entwickelt sich Salsa zur Sucht. Und
lästige Gewohnheiten hat man ohnehin schon genug.
Seit
neuestem steht Salsa auf meinem Programm. Genau genommen seit sechs
Wochen. Das aber rund um die Uhr. Ich möchte zwar nicht behaupten,
dass sechs Wochen eine lange Zeitspanne sind. Trotzdem kommt es mir
vor wie eine Ewigkeit. Nicht nur, dass ich immer noch kein bisschen
Salsa tanzen kann. Erschwerend kommen penetrante Rücken- und
Fußschmerzen hinzu. Darüber hinaus verdrängt der steigende
Latin-Anteil sukzessiv meinen exquisiten Musikgeschmack und T9
bietet mir inzwischen bei jedem zweiten Wort die Option "Salsa" an.
Machen wir uns nichts vor: Salsa ist nicht irgendein profanes
Tanzvergnügen. Salsa ist weitaus mehr als das. Salsa ist ein Fluch
und ein Segen - Salsa ist in Wahrheit eine Lebensform. Überlegen wir
uns deshalb im Vorfeld gut, ob wir uns eine Zukunft zwischen Conga
und Clave mit Cuba Libre und im Cross Body Style vorstellen können.
Haben wir einmal damit angefangen, ist es zu spät.
Der Besuch einer Tanzschule beginnt mit der Einsicht, dass es beim
Salsa lernen keinesfalls nur ums Tanzen geht (wie der angehende
Salsero arglos vermuten dürfte). Vielmehr stellen Salsa-Kurse
beliebte Umschlagplätze für Solisten, Sonderlinge und Alleinstehende
dar. Ich möchte nicht wissen, wie oft dem frustrierten Noch-,
Gerade- oder Quasi-Single hinter verschlossenen Türen vom besten
Freund/ der besten Freundin geraten wird: "Mensch, mach doch einen
Tanzkurs!". Ich vermute inzwischen: Sehr oft. Über meine eigenen
Beweggründe möchte ich an dieser Stelle nicht sprechen.
Bewusster Einsicht folgt die Erkenntnis, dass auch Tanzschüler keine
besseren Menschen sind. Im Gegenteil. Hier wird gezickt, gebaggert
und geflirtet. Nur eben unverhohlen und schonungslos. Keineswegs so
gefällig-artig, wie man es ansonsten kennt. Vergessen wir unsere
gute Kinderstube. Üben wir diese Lektion! Wir erwerben
unverzichtbares Handwerkszeug, denn selbes erwartet uns in den
einschlägigen Clubs. Bloß, dass uns dann keine goldene Tanznadel
mehr hilft. Sondern, dass dort endgültig das Recht des Dreisteren
gilt.
Demnach die erste ratsame Anschaffung: ein Ehegemahl. Anders kommen
wir niemals zum Tanzen. Die erste ratsame Abschaffung: ein
eifersüchtiger Ehegemahl. Auch auf diese Weise wird das mit dem
Tanzen nichts.
Sehr viel mehr braucht es für den Anfang nicht. Abgesehen von
unerschütterlicher Zuversicht vielleicht. Davon aber bitte reichlich
und viel.
Übriges Salsa-Equipment ergibt sich mit der Zeit von selbst.
1. Tanzschuhe: Fürs erste verzichtbar, tritt ein Tanzpartner
bis Niveau "Mittelstufe/ Grundschritt sicher" sowieso nur drauf rum.
2. Lern- und Übungs-DVDs mit dem Titel "Get the dance – Salsa",
"Dance with Lisa" oder "Want to Salsa?" bringen uns nichts ein außer
einer mittelfristigen Depression.
3. Der reinrassige Latino-Lover: Beliebte Anbahnung - Sie:
"Ich bin verlobt!" – Er: "Das macht mir nichts aus!"
Sie alle kommen von alleine. Harren wir entspannt ihrer Invasion.
Der
durchschnittliche Salsa-Schüler ist lernbegierig, aufgeschlossen und
mäßig talentiert. Ist er obendrein männlich, hält er sich in der
Regel für den inkarnierten Salsa-Gott. Und wird daher selten geizen
mit wohlwollenden Tipps und Ratschlägen wie "Du bist nicht im
Takt!", ""Mach Dich doch mal locker!" oder "Mit meiner anderen
Tanzpartnerin klappt das viel besser. Vielleicht übst Du mal mit
ihr!". Solange, bis wir unseren 4,5 cm-Absatz (mit Salsa-affiner
Chromledersohle) nicht länger nur auf seinen Zehen, sondern noch
dazu mitten in seinem Gesicht platzieren möchten. Frauen sind da
meist sehr viel wirklichkeitsnaher und bestechen gewöhnlich durch
natürliche Eleganz und ein besonders tiefes Dekollete.
Ebenfalls
Tanzlehrer sind eine besondere Spezies. Klein, groß, dick, dünn,
fies und gemein oder sadistisch und grausam – den klassischen
Tanzlehrer gibt es nicht. Ihnen allen aber gemeinsam ist: Auch das
Salsa-Diplom macht zu keinem besseren Menschen. Fragen wir daher
unbedingt den Richtigen, wenn es uns um eine ehrliche Beurteilung
unserer Tanzkünste geht. Der eitle Beau (und amtierende
Salsa-Meister) gibt kaum vor uns zu, dass wir auf dem besten Weg zu
seinem stärksten Mitstreiter sind. Üben wir uns folglich in
gelassener Nachsicht und betrachten seine Kritik vor diesem
Hintergrund.
Geht nicht davon aus, dass es beim Salsa und mir die große Liebe auf
den ersten Rück-Platz-Close war. In der Tat bilden wir eine
nachhaltige Zweckgemeinschaft, dieses Tanzding und ich. Der Salsa
erlaubt mir die Behauptung, ich hätte jetzt ein Hobby (die häufigste
Entgegnung: "Wie, du hattest vorher keins?"). Dafür opfere ich ihm
meine gesamte Zeit. Das mit der Liebe kommt bestimmt mit der Zeit.
Spätestens dann, wenn jemand meine obskuren Zuckungen sieht und
tatsächlich fragt: "Hey, du tanzt Salsa?" Projekt Zukunft. Agenda
2012.
Salsa ist Salsa - bleibt Salsa. Ein eigenständiger Mikrokosmos und
für jeden Salsero die Welt.
Auf die Frage: "Want to Salsa?" antworte
ich heute notgedrungen:
Ja, meine Güte.
Ja, ich will.
erschienen auf:
Letmeentertainyou.de | ©
2oo6, Saskia Katharina Krost